... was die sechs häufigsten Fehler bei der Integration von Lichtvorhängen / Lichtgittern (AOPD) sind?

 

Die Integration von Lichtvorhängen als berührungslose Schutzeinrichtung ist ein zentraler Bestandteil der Maschinensicherheit. Dennoch kommt es in der Praxis
immer wieder zu typischen Fehlern, die sowohl den Personenschutz gefährden als auch gegen die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG sowie relevante Normen wie
DIN EN ISO 13855 und EN ISO 13849-1/-2

Hier die sechs häufigsten Fehler – und wie man sie vermeidet:

 

 

1. Falscher Sicherheitsabstand zur Gefahrenstelle

 

Fehler:
Die BWS wird zu nahe an der Gefahrenstelle montiert. Dadurch kann eine Person trotz Abschaltung gefährdende Bereiche erreichen, bevor die Maschine stillsteht.

 
Normativer Hintergrund:
  • Gemäß DIN EN ISO 13855 wird der notwendige Sicherheitsabstand anhand der Nachlaufzeit der Maschine, der Erkennungsfähigkeit des Lichtvorhangs (Auflösungsvermögen) und der Annäherungsgeschwindigkeit berechnet.
 
Korrektes Vorgehen:
  • Ermittlung der Nachlaufzeit (Berechnung, Auslegung, Messung der Reaktionszeit des gesamten Systems).
  • Ermittlung des notwendigen Mindestabstands nach der Formel in EN ISO 13855.
  • Berücksichtigung aller Toleranzen und Sicherheitszuschläge.
 
 
 

2. Übergreifen oder Untergreifen wird nicht ausreichend verhindert

 

Fehler:
Der Lichtvorhang wird so montiert, dass Personen durch Übergreifen, Untergreifen oder seitliches Umgehen trotzdem Zugang zur Gefahrenstelle erhalten können.

 
Normativer Hintergrund:
  • Gemäß DIN EN ISO 13855 und EN ISO 13857 müssen auch Umgehungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Lichtvorhänge mit zu niedriger Höhe oder ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen (z.B. Abschirmungen, seitliche Verblendungen) bieten keinen vollständigen Schutz.
 
Korrektes Vorgehen:
  • Oberkannte der BWS nach Tabelle 1 der EN ISO 13855 auslegen.
  • Je nach Höhe des Gefährdungsbereiches und der Oberkannte der BWS kann ein zusätzlicher Sicherheitsabstand notwendig sein. Wenn dieser Zuschlag (CRO – aus dem englischen „reach over“) größer ist als der Zuschlag für C, ist dieser CRO zu verwenden.
  • Berücksichtigung aller möglichen Annäherungsrichtungen. Auch von der Seite und von unten.
  • Verschließen von Öffnungen mittels trennender Schutzeinrichtungen, um das Umgehen zu verhindern.
 

3. Nachlaufzeit der Maschine wird nicht ermittelt

 

Fehler:
Der Sicherheitsabstand wird nicht ermittelt oder nur rein theoretisch angenommen, ohne die tatsächliche Nachlaufzeit der Maschine zu berücksichtigen.

 
Normativer Hintergrund:
  • EN ISO 13855, Anhang D und EN ISO 13857fordert die Berücksichtigung der realen Nachlaufzeit (Gesamtreaktionszeit von Steuerung und Antriebssystem). Auch unter Punkt 5.1 „durch Gestaltung bestimmt und durch Messung bewertet“ wird eine Messung verlangt
 
Korrektes Vorgehen:
  • Durchführung einer Nachlaufzeitmessung unter realen Bedingungen. Vom Auslösen der Schutzeinrichtung bis zum sicheren Stillstand der gefahrbringenden Bewegung bzw. Richtungsumkehr in einen sicheren Zustand mittels geeichten Messgerätes durch eine -zur Prüfung befähigten Person- nach Betriebssicherheitsverordnung.
  • Dokumentation und regelmäßige Kontrolle (z. B. nach Umbauten, Änderungen und auch wiederkehrend, um Verschleiß rechtzeitig zu erkennen der zu einer längeren Nachlaufzeit führen kann).
 
 

Hinweis:
Wenn im Zuge der Prüfung zur Erstinbetriebnahme ein Prüfbuch oder ein vergleichbares Dokumentationssystem angelegt wird – idealerweise ergänzt durch einen integrierten Prüfmodus in der Maschine mit klaren Hinweisen zur einfachen Durchführung der Prüfung – entsteht für den Betreiber ein deutlicher Mehrwert: Wiederkehrende Prüfungen können dadurch deutlich effizienter, nachvollziehbarer und zeitsparender durchgeführt werden.

 

4. Auflösung des Lichtvorhangs unzureichend gewählt

 

Fehler:
Der gewählte Lichtvorhang hat eine falsche Auflösung (Strahlabstand).
Zuschlag C nicht beachtet. Mindestabstände nicht eingehalten

 
Normativer Hintergrund:
  • Gemäß EN ISO 13855 hängt die erforderliche Auflösung von der Art der Gefährdung und der zu schützenden Körperteile ab (Finger, Hand, Körper). Mindestens jedoch 100mm Abstand zur Gefahrenstelle dürfen nicht unterschritten werden. Je nach Anwendung kann der Mindestabstand auch höher sein, z.B.: 150mm, wenn die BWS ein Wiederingangsetzen einer Maschine einleitet.
 
Korrektes Vorgehen:
  • Auswahl eines Lichtvorhangs mit passender Auflösung
    Bei 14mm Strahlabstand entfällt der Zuschlag C, bei 30mm kommen 128mm Zuschlag C hinzu.
  • Berücksichtigung von Normtabellen (z. B. Tab. 4 DIN EN ISO 13855).
 
 

Hinweis:
Im Umkehrschluss, wenn der Platz für eine höhere Auflösung gegeben ist und die BWS etwas weiter weg montiert werden kann, bietet dies die Möglichkeit eine wirtschaftlichere Variante einzusetzen.

 
Lichtgitter 1
Wussten Sie außerdem schon:
 
Als Lichtgitter werden BWS mit 2/3/4 Lichtstrahlen bezeichnet. Lichtvorhänge dagegen haben einen engen Strahlabstand z.B. 14/20/30mm. Oft dann auch als Finger- / Handschutz bezeichnet.
Lichtgitter 2
 

5. Sicherheitsbewertung der Steuerung wird nicht berücksichtigt

 

Fehler:
Die Integration des Lichtvorhangs erfolgt, ohne die Sicherheitsanforderung (Performance Level bzw. SIL) für die Steuerung zu betrachten.
Es wird in der Risikobeurteilung keine korrekte Sicherheitsfunktion definiert.
Die BWS ist Steuerungstechnisch nicht korrekt eingebunden.

 
Normativer Hintergrund:
  • Gemäß EN ISO 13849-1 bzw. IEC 62061 muss die gesamte Sicherheitsfunktion bewertet werden, inklusive Sensorik (Lichtvorhang), Logik (Sicherheitssteuerung) und Aktorik (z. B. Antriebe).
 
Korrektes Vorgehen:
  • Durchführung einer vollständigen Bewertung der Sicherheitsfunktion (PLr oder SIL).
  • Sicherstellen, dass alle Komponenten geeignet und korrekt integriert sind.
  • Nachweisführung der Funktionalen Sicherheit (Performance Level)
 
 

6. Falsch ausgerichtete Sensoren bei Standard-Muting

 

Fehler:
Die grundsätzlich falsche Ausrichtung der Mutingsensoren ist ein weiterer geläufiger Fehler.

Beispiel:

  • Kreuzungspunkt bei Kreuzmuting liegt außerhalb des Gefahrenbereichs
  • Mutingsensoren sind zu niedrig montiert
  • Mutingsensoren sind auf den Warenträger statt auf das Transportgut ausgerichtet
  • Abstände der Mutingsensoren sind zu nah und nicht normkonform.
 
Normativer Hintergrund:
  • Gemäß EN IEC 62046 müssen Mutingsensoren so angeordnet und ausgerichtet sein, dass eine eindeutige, zuverlässige und zweckgebundene Auslösung der Muting-Funktion gewährleistet ist. Die Norm legt Anforderungen an Position, Auslösebedingungen und Vermeidung von Manipulationsmöglichkeiten fest. Eine fehlerhafte Umsetzung kann dazu führen, dass Schutzfunktionen umgangen oder unbeabsichtigt aktiviert werden – mit potenziell sicherheitskritischen Folgen.
 
Korrektes Vorgehen:
  • Prüfung der Sensorpositionierung gemäß Herstellerangaben und Normanforderungen
  • Sicherstellen, dass der Kreuzungspunkt bei Kreuzmuting im Schutzfeld liegt
  • Ausrichtung auf das Transportgut, nicht auf Warenträger oder Paletten
  • Einhaltung normkonformer Mindestabstände zwischen den Sensoren
  • Integration der Sensorprüfung in Abnahme- und Validierungsprozesse
 
 

Hinweis:
Broschüre SSP Verpackungstechnik– für weitere Informationen

 

Fazit:
Die normkonforme Integration von Lichtvorhängen erfordert fundierte Fachkenntnis und eine sorgfältige Risikobeurteilung. Werden diese typischen Fehler vermieden,
ist bereits eine wesentliche Grundlage für einen sicheren und regelkonformen Betrieb geschaffen.

 
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Hinweis:

 

Es gibt einen Entwurf für eine neue DIN EN ISO 13855:2022-04.

Die überarbeitete Norm ist noch nicht im Amtsblatt der EU zur Harmonisierung aufgenommen.

▶ Machinery (MD) - European Commission

 

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